Das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) eines Autos kann Schleuderbewegungen und damit Unfälle verhindern.
Gehen Sie bei den folgenden Aufgaben davon aus, dass 40 % aller Autos mit ESP ausgerüstet sind.
200 Autos werden nacheinander zufällig ausgewählt; die Zufallsgröße \(X\) beschreibt die Anzahl der ausgewählten Autos mit ESP.
Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass von den ausgewählten Autos mindestens 70 mit ESP ausgerüstet sind.
(3 BE)
Lösung zu Teilaufgabe 1a
Binomialverteilung, binomialverteilte Zufallsgröße
Analyse der Angabe:
Laut Angabe ist davon auszugehen, dass 40 % aller Autos mit ESP ausgerüstet sind. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit für das betrachtete Ereignis „Ein zufällig ausgewähltes Auto ist mit ESP ausgerüstet" mit \(p = 0{,}4\) konstant.
Da nur zwischen den sich gegenseitig ausschließenden Ereignissen „Ein zufällig ausgewähltes Auto ist mit ESP ausgerüstet" und „Ein zufällig ausgewähltes Auto ist nicht mit ESP ausgerüstet" unterschieden wird, liegt ein Bernoulli-Experiment vor.
Bernoulli-Experiment, Bernoulli-Kette
Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei verschiedene sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können, heißt Bernoulli-Experiment.
Das Eintreten des Ereignisses \(A\) wird als Treffer und das Eintreten des Gegeneignisses \(\overline{A}\) wird als Niete bezeichnet. Die Trefferwahrscheinlichkeit \(P(A)\) bezeichnet man mit \(\boldsymbol{p}\) und die Wahrscheinlichkeit für eine Niete mit \(q = 1- p\). Wird ein Bernoulli-Experiment \(n\)-mal wiederholt, spricht man von einer Bernoulli-Kette der Länge \(\boldsymbol{n}\). Dabei müssen die einzelnen Wiederholungen unabhängig voneinander erfolgen. Das heißt, die Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) bleibt konstant.
„200 Autos werden nacheinander zufällig auswählt; ..."
\(\Longrightarrow \quad n = 200\) (Länge der Bernoulli-Kette)
„Die Zufallsgröße \(X\) beschreibt die Anzahl der ausgewählten Autos mit ESP."
Binomialverteilte Zufallsgröße
Für eine Zufallsgröße \(X\), welche bei einer Bernoulli-Kette der Länge \(n\) die Anzahl der Treffer \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) mit der Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) angibt, gilt:
Binomialverteilung (vgl. Merkhilfe)
\[P_{p}^{n}(X = k) = B(n;p;k) = \binom{n}{k} \cdot p^{k} \cdot (1 - p)^{n - k} \quad (0 \leq k \leq n)\]
Eine Binomialverteilung ist durch die Parameter \(n\) und \(p\) eindeutig bestimmt und wird durch das Symbol \(B(n:p)\) gekennzeichnet. \(X\) heißt binomialverteilt nach \(B(n;p)\).
Voraussetzung für eine Binomialverteilung
Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können (Bernoulli-Experiment).
\(\Longrightarrow \quad\)Die Zufallsgröße \(X\) ist nach \(B(200;0{,}4)\) binomialverteilt.
„... Wahrscheinlichkeit dafür, dass von den ausgewählten Autos mindestens 70 mit ESP ausgerüstet sind."
\(\Longrightarrow \quad P_{0{,}4}^{200}(X \geq 70)\)
Betrachten des Gegenereignisses:
Um mit dem Stoschastischen Tafelwerk (ST) arbeiten zu können, wird die Wahrscheinlichkeit \(P_{0{,}4}^{200}(X \geq 70)\) auf die kumulative Verteilungsfunktion zurückgeführt.
Kumulative Verteilungsfunktion einer nach \(B(n, p)\) binomialverteilten Zufallsgröße \(X\)
\[F^n_p (k) = P^n_p (X \leq k) = \sum_{i \, = \, 0}^k B(n; p; i) = \sum_{i \, = \, 0}^k \binom{n}{i} \cdot p^i \cdot (1 - p)^{n - i}\]
Wobei \(n\) die Länge der Bernoullikette, \(p\) die Trefferwahrscheinlichkeit für das Eintreten des betrachteten Ereignisses und \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) die Anzahl der Treffer ist.
Das Stochastische Tafelwerk (ST) listet die Werte der Kumulativen Verteilungsfunktion jeweils in der rechten Spalte einer betrachteten Tabelle der Parameter \(n\) und \(p\).
Dies erreicht man, indem man das Gegenereignis zum Ereignis „mindestens 70 von den ausgewählten Autos sind mit ESP ausgerüstet." betrachtet. Das Gegenereignis lautet: „Höchstens 69 der ausgewählten Autos sind mit ESP ausgerüstet."
Betrachten des Gegenereignisses (mindestens \(k\) Treffer)
Kumulative Wahrscheinlichkeiten der Form \(P(X \geq k)\) lassen sich im Stochastischen Tafelwerk (ST) nicht nachschlagen. Die Betrachtung des Gegenereignisses ermöglicht das Verwenden des Stochastischen Tafelwerks:
\[P(X \geq k) = 1 - P(X \leq k - 1)\]
Die Kumulative Verteilungsfunktion \(F_{p}^{n}(k) = P^n_p(X \leq k) = \sum \limits_{i\;=\;0}^{k} B(n;p;i)\) ist für bestimmte Werte der Parameter \(p\) und \(n\) in der rechten Spalte des Stochastischen Tafelwerks mit Abiturzulassung tabellarisiert.
\[\begin{align*} P_{0{,}4}^{200}(X \geq 70) &= 1 - P_{0{,}4}^{200}(X \leq 69) \\[0.8em] &= 1 - \sum \limits_{i\,=\,0}^{69} B(200;0{,}4; i) \\[0.8em] &\overset{\text{ST}}{=} 1 - 0{,}06390 \\[0.8em] &= 0{,}93610 \\[0.8em] &\approx 93{,}6\,\% \end{align*}\]
Wahrscheinlichkeitsverteilung der nach \(B(200;0{,}4)\) binomialverteilten Zufallsgröße \(X\), Darstellung der Wahrscheinlichkeiten \(P_{0{,}4}^{200}(X \leq 69)\) und \(P_{0{,}4}^{200}(X \geq 70)\)