Im Dezember 2021 wurden in Norwegen rund 14 000 Pkw neu zugelassen. In einer vereinfachten Übersicht sind die Anteile der verschiedenen Antriebsarten an diesen Neuzulassungen dargestellt.

Tabelle Aufgabe 1 Stochastik 1 Prüfungsteil B Mathematik Abitur Bayern 2023

Für eine Untersuchung werden aus diesen Neuzulassungen 200 Fahrzeuge zufällig ausgewählt und deren Besitzer nach den Gründen für die Wahl der Antriebsart befragt. Da aus einer großen Anzahl von Fahrzeugen nur verhältnismäßig wenige ausgewählt werden, wird das Urnenmodell „Ziehen mit Zurücklegen" verwendet.

Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeiten folgender Ereignisse:

\(D\): „Unter den ausgewählten Pkw befinden sich sieben oder acht Verbrenner mit Dieselmotor."

\(E\): „Unter den ausgewählten Pkw befinden sich mehr als 135 mit rein elektrischem Antrieb."

(4 BE) 

Lösung zu Teilaufgabe 1a

 

\[\begin{align*}P(D) &= P(X = 7) + P(X = 8) \\[0.8em] &= B(200;0{,}04;7) + B(200;0{,}04;8) \\[0.8em] &= \binom{200}{7} \cdot 0{,}04^7 \cdot 0{,}96^{193} + \binom{200}{8} \cdot 0{,}04^8 \cdot 0{,}96^{192} &&\text{(oder Tafelwerk)} \\[0.8em] &= 0{,}14172 + 0{,}14246 \\[0.8em] &= 0{,}28418 \approx 28{,}4\,\%\end{align*}\]

 

\[\begin{align*}P(E) &= P(Y > 135) = 1 - P(Y \leq 135) \\[0.8em] &= 1 - \sum \limits_{i\,=\,0}^{k\,=\,135}B(200;0{,}65;i) = 1 - 0{,}79183 \\[0.8em] &= 0{,}20817 \approx 20{,}8\,\%  \end{align*}\]

 

Ausführliche Erklärung (nicht verlangt) 

„Da aus einer großen Anzahl von Fahrzeugen nur verhältnismäßig wenige ausgewählt werden, wird das Urnenmodell „Ziehen mit Zurücklegen" verwendet."

Dieser Satz bedeutet, dass die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse \(D\) und \(E\) mit der Binomialverteilung modelliert werden kann.

Binomialverteilte Zufallsgröße - Binomialverteilung

Binomialverteilte Zufallsgröße

Für eine Zufallsgröße \(X\), welche bei einer Bernoulli-Kette der Länge \(n\) die Anzahl der Treffer \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) mit der Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) angibt, gilt:

Binomialverteilung (vgl. Merkhilfe)

\[P_{p}^{n}(X = k) = B(n;p;k) = \binom{n}{k} \cdot p^{k} \cdot (1 - p)^{n - k} \quad (0 \leq k \leq n)\]

Eine Binomialverteilung ist durch die Parameter \(n\) und \(p\) eindeutig bestimmt und wird durch das Symbol \(B(n:p)\) gekennzeichnet. \(X\) heißt binomialverteilt nach \(B(n;p)\).

Voraussetzung für eine Binomialverteilung

Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können (Bernoulli-Experiment).

Die Länge der Bernoulli-Kette ist \(\textcolor{#0087c1}{n = 200}\). Die in der Tabelle angegebenen prozentualen Anteile können als konstante Trefferwahrscheinlichkeiten \(\textcolor{#cc071e}{p}\) des jeweils betrachteten Ereignisses angesehen werden.

Bernoulli-Experiment, Bernoulli-Kette

Bernoulli-Experiment, Bernoulli-Kette

Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei verschiedene sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können, heißt Bernoulli-Experiment.

Das Eintreten des Ereignisses \(A\) wird als Treffer und das Eintreten des Gegeneignisses \(\overline{A}\) wird als Niete bezeichnet. Die Trefferwahrscheinlichkeit \(P(A)\) bezeichnet man mit \(\boldsymbol{p}\) und die Wahrscheinlichkeit für eine Niete mit \(q = 1- p\). Wird ein Bernoulli-Experiment \(n\)-mal wiederholt, spricht man von einer Bernoulli-Kette der Länge \(\boldsymbol{n}\). Dabei müssen die einzelnen Wiederholungen unabhängig voneinander erfolgen. Das heißt, die Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) bleibt konstant.

Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(D\)

\(D\): „Unter den ausgewählten Pkw befinden sich sieben oder acht Verbrenner mit Dieselmotor."

Das Ereignis \(D\) berücksichtigt die beiden Ergebnisse „sieben Verbrenner mit Dieselmotor" und „acht Verbrenner mit Dieselmotor". Gemäß der Summenregel werden die Wahrscheinlichkeiten der Ergebnisse addiert.

Baumdiagramm - Pfadregeln (Knoten-, Produkt-, Summenregel)

Pfadregeln

Verzweigungsregel (Knotenregel)

Die Summe der Wahrscheinlichkeiten an den Ästen, die von einem Knoten ausgehen, ist gleich eins.

1. Pfadregel (Produktregel)

Die Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten entlang des Pfades, der zu dem Ergebnis führt.

2. Pfadregel (Summenregel)

Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist gleich der Summe der Wahrscheinlichkeiten der Ergebnisse, die zu diesem Ereignis gehören.

Es sei \(X\) die Zufallsgröße, welche die Anzahl der Verbrenner mit Dieselmotor unter den 200 zufällig ausgewählten Fahrzeugen beschreibt.

Die Zufallsgröße \(X\) ist nach \(B(\textcolor{#0087c1}{200};\textcolor{#cc071e}{0{,}04})\) binomialverteilt (vgl. Tabelle: 4 % Verbrenner, Diesel).

 

\[\begin{align*}P(D) &= P(X = \textcolor{#e9b509}{7}) + P(X = \textcolor{#e9b509}{8}) \\[0.8em] &= B(\textcolor{#0087c1}{200};\textcolor{#cc071e}{0{,}04};\textcolor{#e9b509}{7}) + B(\textcolor{#0087c1}{200};\textcolor{#cc071e}{0{,}04};\textcolor{#e9b509}{8}) \\[0.8em] &= \binom{\textcolor{#0087c1}{200}}{\textcolor{#e9b509}{7}} \cdot \textcolor{#cc071e}{0{,}04}^\textcolor{#e9b509}{7} \cdot (1 - \textcolor{#cc071e}{0{,}04})^{\textcolor{#0087c1}{200} - \textcolor{#e9b509}{7}} + \binom{\textcolor{#0087c1}{200}}{\textcolor{#e9b509}{8}} \cdot \textcolor{#cc071e}{0{,}04}^\textcolor{#e9b509}{8} \cdot (1 - \textcolor{#cc071e}{0{,}04})^{\textcolor{#0087c1}{200} - \textcolor{#e9b509}{8}} &&\text{(oder Tafelwerk, linke Spalte)} \\[0.8em] &= 0{,}14172 + 0{,}14246 \\[0.8em] &= 0{,}28418 \approx 28{,}4\,\%\end{align*}\]

 

Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(E\)

\(E\): „Unter den ausgewählten Pkw befinden sich mehr als 135 mit rein elektrischem Antrieb."

Es sei \(Y\) die Zufallsgröße, welche die Anzahl der Pkw mit rein elektrischem Antrieb unter den 200 zufällig ausgewählten Fahrzeugen beschreibt.

Die Zufallsgröße \(Y\) ist nach \(B(\textcolor{#0087c1}{200};\textcolor{#cc071e}{0{,}65})\) binomialverteilt (vgl. Tabelle: 65 % rein elektrisch).

„... mehr als 135 mit rein elektrischem Antrieb" bedeutet „... mindestens 136 mit rein elektrischem Antrieb".

Die Wahrscheinlichkeit \(P_{\textcolor{#cc071e}{0{,}65}}^{\textcolor{#0087c1}{200}}(\textcolor{#e9b509}{Y \geq 136})\) dafür, dass mindestens 136 der ausgewählten Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb sind, lässt sich durch die Betrachtung der Wahrscheinlichkeit des Gegenereignisses „... höchstens 135 mit rein elektrischem Antrieb" auf die kumulative Verteilungsfunktion (von \(0\) bis \(k\) aufsummierte Einzelwahrscheinlichkeiten) zurückführen. Diese ist im Stochastischen Tafelwerk (ST) in der rechten Spalte tabellarisiert.

Kumulative Verteilungsfunktion einer binomialverteilten Zufallsgröße

Kumulative Verteilungsfunktion einer nach \(B(n, p)\) binomialverteilten Zufallsgröße \(X\)

\[F^n_p (k) = P^n_p (X \leq k) = \sum_{i \, = \, 0}^k B(n; p; i) = \sum_{i \, = \, 0}^k \binom{n}{i} \cdot p^i \cdot (1 - p)^{n - i}\]

Wobei \(n\) die Länge der Bernoullikette, \(p\) die Trefferwahrscheinlichkeit für das Eintreten des betrachteten Ereignisses und \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) die Anzahl der Treffer ist.

Das Stochastische Tafelwerk (ST) listet die Werte der Kumulativen Verteilungsfunktion jeweils in der rechten Spalte einer betrachteten Tabelle der Parameter \(n\) und \(p\). 

Mithilfe des Stochastischen Tafelwerks (ST) ergibt sich:

Betrachten des Gegenereignisses (mindestens \(k\) Treffer)

Betrachten des Gegenereignisses (mindestens \(k\) Treffer)

Kumulative Wahrscheinlichkeiten der Form \(P(X \geq k)\) lassen sich im Stochastischen Tafelwerk (ST) nicht nachschlagen. Die Betrachtung des Gegenereignisses ermöglicht das Verwenden des Stochastischen Tafelwerks:

\[P(X \geq k) = 1 - P(X \leq k - 1)\]

Die Kumulative Verteilungsfunktion \(F_{p}^{n}(k) = P^n_p(X \leq k) = \sum \limits_{i\;=\;0}^{k} B(n;p;i)\) ist für bestimmte Werte der Parameter \(p\) und \(n\) in der rechten Spalte des Stochastischen Tafelwerks mit Abiturzulassung tabellarisiert.

\[\begin{align*}P(E) &= P_{\textcolor{#cc071e}{0{,}65}}^{\textcolor{#0087c1}{200}}(\textcolor{#e9b509}{Y > 135}) &&\textcolor{#e9b509}{\text{„mehr als 135"}} \\[0.8em] &= P_{\textcolor{#cc071e}{0{,}65}}^{\textcolor{#0087c1}{200}}(\textcolor{#e9b509}{Y \geq 136}) &&\textcolor{#e9b509}{\text{„mindestens 136"}} \\[0.8em] &= 1 - P_{\textcolor{#cc071e}{0{,}65}}^{\textcolor{#0087c1}{200}}(\textcolor{#e9b509}{Y \leq 135}) &&\text{nicht}\;\textcolor{#e9b509}{\text{„höchstens 135"}} \\[0.8em] &= 1 - \sum \limits_{i\,=\,\textcolor{#e9b509}{0}}^{k\,=\,\textcolor{#e9b509}{135}}B(\textcolor{#0087c1}{200};\textcolor{#cc071e}{0{,}65};i) &&\text{Tafelwerk, rechte Spalte} \\[0.8em] &\overset{\text{ST}}{=} 1 - 0{,}79183 \\[0.8em] &= 0{,}20817 \approx 20{,}8\,\% \end{align*}\]

 

(vgl. Abiturskript - Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten einer nach \(B(n;p)\) binomialverteilten Zufallsgröße)